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Shin Megami Tensei V: Vengeance

Die Switch-Version hatte ich damals 2h angespielt, aber schnell die Motivation verloren. Diesmal wollte ich mit Vengeance – und mehr Motivation – einen zweiten Versuch wagen.
Ich habe auch die Vengeance-Route gespielt, kann die inhaltlichen Veränderungen aber nicht beurteilen, da ich vom Original so wenig gesehen habe.
1) Die Story ist esoterisch
Das sind wir von SMT auch gewohnt. Es kommen Götter und Mythologien aus verschiedenen Religionen zusammen, immer geht es um die Entscheidung zwischen Law (Ordnung, Unterordnung unter einen Gott oder eine Herrscherfigur) und Chaos (Anarchie), wobei beide Seiten im Spiel überzeichnet dargestellt werden. Der eigentlich interessante Kern läuft auch eher auf Küchentischphilosophie hinaus. Engel sind Arschlöcher, Dämonen auch – wie halt auch in anderen SMTs.
Bei der Lore habe ich auch schnell abgeschaltet. Man wird einfach sehr oft mit Exposition Dumps vollgespamt, zu denen man so gar keinen Bezug hat. Im Spielverlauf wird es zwar weniger abstrakt, aber nicht unbedingt mitreißender.
2) Ein SMT mit Charakteren?
Okay, streng genommen war schon IV deutlich charakterorientierter als die Teile davor, aber V setzt noch einen drauf und verschiebt den Schwerpunkt der Handlung deutlich mehr in Richtung Persona. Im Mittelpunkt steht eine Gruppe von Schülern, von denen man einen Großteil des Spiels auch welche in der Party hat – das serientypische Gefühl der Einsamkeit kommt also nicht wirklich auf.
Im Handlungsverlauf gibt es einiges an Drama, Charakterentwicklung inkl. Toden, Verrat und allem drum und dran. Von der Darstellung ist alles aber sehr generisch, das Writing ist deutlich schwächer als in z.B. Persona und ich persönlich war von Anfang an schon eher genervt bzw. gelangweilt von dem Ganzen. Entsprechend hat es mich auch kalt gelassen, als die Lage mit der Zeit immer mehr eskaliert ist, bis hin zum effektiven Tod so ziemlich aller relevanten Charaktere im letzten Drittel.

3) Offenere Welt, mehr Monotonie
Während SMTs eigentlich immer Dungeon Crawler waren, setzt SMTV primär auf große, offene Areale – vier Stück davon.
Das fand ich anfangs cool. Die Erkundung macht Spaß und es gibt genügend Dämonen, um auch große Gebiete abwechslungsreich damit zu füllen.
Weniger abwechslungsreich wird es leider bei den anderen Sachen. Die Map quillt geradezu über mit Icons für Sidequests, Schätze und andere Collectibles – und erinnert dabei leider sehr schnell an andere generische Open-World-Spiele.
Zwar gibt es bei den Sidequests hin und wieder coole Ideen und viele Schätze sind zumindest spielerisch relevant, aber es gibt auch eine Menge Trashloot und alles artet ein bisschen mehr in Busywork aus, als mir lieb war.
4) Platforming aus der Hölle
Die Welt besitzt eine erstaunliche Menge Vertikalität. Man hüpft ständig durch Häuserruinen und sucht Eingänge, um Schätze zu finden, die zuvor schon auf der Map markiert sind.
Dabei kann man effektiv nur laufen und springen und gerade letzteres artet oft in stümpferhaftes Platforming aus, das imo absolut nicht zum Spiel passt. Man fällt ständig irgendwo herunter oder hat keine Ahnung, wo man überhaupt einen Weg findet.
Ohne die Map Icons würde man zumindest nicht wissen, was man verpasst, aber so führt einem das Spiel permanent vor Augen, dass man diese schlecht umgesetzten Mechaniken doch bitte zu nutzen hat.

5) Visuelle Monotonie
Leider sind alle vier Gebiete abgesehen von der Farbpalette größtenteils recht ähnlich gestaltet. Man bewegt sich serientypisch durchs postapokalyptische Tokyo und sieht überall Ödland, Gebäuderuinen und kaputte Autobahnbrücken. Zwar gibt es gelegentlich auch mal einen Wald oder einen See, aber es wird sehr schnell monoton. Schade, da wäre mehr drin gewesen.
6) Tolle Monsterdesigns
Klasse hingegen sind die Designs der Monster. Viele sind natürlich aus den Vorgängern übernommen, aber es ist schön, sie mal in ansehnlichem 3D zu sehen.
Zudem sind gerade die handlungsrelevanten Gegner (vor allem die Qadištu) sehr aufwändig und cool gestaltet und es gibt oft nette Horror-Vibes.
7) Bewährtes Kampfsystem mit Neuerungen
Das bekannte Press-Turn-System wurde hier hauptsächlich um eine Art Limit Breaks (Magatsuhi Skills) erweitert, die in ihren Effekten extrem vielfältig sind.
Der Standardskill macht für die gesamte Runde alle Treffer zu kritischen, was sehr mächtig ist – so mächtig, dass ich kaum andere Magatsuhi Skills verwendet habe. Die Gegner können diesen Skill auch verwenden.
An sich habe ich kein Problem mit dem System, aber unterm Strich dominiert es die Kämpfe doch sehr, da man in diesem Modus einfach am mächtigsten ist. Gerade bei Bosskämpfen wird die Mechanik zum Dreh- und Angelpunkt der gesamten Strategie.

8) Etwas erschlagende Komplexität
Selbst als Serienveteran fand ich, dass es etwas zu viele Mechaniken gibt. Dämonen haben nämlich alle noch jeweils eine eigene passive Fähigkeit (Innate Skill), von denen es dutzende gibt und die zusammen mit anderen Skills und den Magatsuhi Skills Synergien bieten.
Da man Dämonen aber sehr oft wechselt, muss man sich auch ständig an neue Innate Skills gewöhnen, die oft auch sehr spezifische Effekte haben (z.B. nur in Kombination mit bestimmten Dämonen wirken). Ich persönlich habe sie deshalb leider mehr ignoriert, als mir lieb war – es waren einfach zu viele.
9) Essence-System zu mächtig?
Neu sind außerdem sogenannte Essences – Items, die quasi das Skillset von Dämonen abbilden und durch die man diese Skills auf den Hauptcharakter und andere Dämonen übertragen kann.
Das sorgt dafür, dass man theoretisch alle Dämonen in beliebige Richtungen lenken kann, was durch die Skillvererbung noch befeuert wird. Die eigenen Statuswerte und Schwächen schränken das zwar ein bisschen ein, aber unterm Strich bietet das System imo zu viele Gestaltungsmöglichkeiten.
Ich habe für Dämonen eigentlich fast keine Essences benutzt, zumal man die meisten eh maximal ein paar Stunden im Team hat. Für den Hauptcharakter hingegen habe ich das öfter getan – die Aogami-Essenzen waren allerdings so mächtig, dass die normalen Essenzen quasi überflüssig wurden und ich sie nur sehr selten benutzt habe.

10) Keine Dungeons?
Es gibt im Spiel tatsächlich kaum Dungeons und die, die es gibt, sind nicht besonders interessant. Der letzte Dungeon ist ein visuell völlig reizloses Labyrinth mit geskripteten Gegnern und sehr einfachen Rätseln – und das ist schon das höchste der Gefühle.
Ich hätte mir gewünscht, dass es da mehr und vor allem mehr „klassisches“ Dungeondesign gibt, das spielerisch durchdacht ist und auch atmosphärisch was hermacht.
11) Der Gameplay-Loop macht Spaß
Und das ist natürlich ein großes Plus. Man erkundet, kämpft, levelt auf, kann neue Dämonen fusionieren. Das Wachtstum ist stets motivierend, auch wenn die Erkundung selbst irgendwann mononton wird. Die Miracles (passitve permanente Upgrades) haben mir wie schon in IV auch sehr gefallen.
SMTV fühlt sich deutlich mehr casual an als die Vorgänger und so sehr ich einige Entwicklungen nicht mag, hat es mir doch unterm Strich recht viel Spaß gemacht.
Positiv hervorzugeben ist hier auch die Möglichkeit, die Kämpfe erheblich zu beschleunigen. Die Auto-Funktionen ist zudem gerade so schlau, wie sie es sein sollte: Sie wendet die Schwächen der Gegner an, insofern bekannt, aber ist ansonsten nicht übermäßig intelligent, bspw. heilt sie nicht.
Das sorgt dafür, dass man triviale Kämpfe sehr schnell hinter sich bringt, während man die anspruchsvolleren im manuellen Modus kämpft. Das hat das Grinding für mich meist motivierend gestaltet.

tl;dr: Shin Megami Tensei V ist definitiv frischer Wind für die Serie, aber die offene Welt tut dem Spiel nicht immer gut und das serientypisch „tight“ designte Spielerlebnis verwässert ein wenig zu sehr. Dafür kann man es aber auch casual gut spielen und der Gameplay-Loop ist motivierend. Der Story hingegen konnte ich nur sehr wenig abgewinnen und die „Personafizierung“ und Abkehr vom SMT-Minimalismus ist für mich ein Schritt in die falsche Richtung.
Spielzeit: 40:00h
Wertung: 7/10
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